Das BSG hat mit Urteil vom 10.9.2020, AZ: B 3 KR 15/19 R, den Versorgungsanspruch eines an Morbus Down und damit verbundener Orientierungslosigkeit und Weglauftendenz leidenden Versicherten mit einer GPS-gesteuerte Uhr „Guard 2me“ bestätigt, mit welcher der Versicherte aufgrund eines Ortungssystems schnell aufgefunden werden kann.
Bei der Guard2Me Uhr handelt es sich um ein Hilfsmittel des mittelbaren Behinderungsausgleiches. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach stRspr gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Anknüpfungspunkt für die Reichweite des Nahbereichs ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt.
Im Falle des Klägers ist das Grundbedürfnis der Mobilität in der eigenen Wohnung und im örtlichen Nahbereich beeinträchtigt. Obwohl der Kläger uneingeschränkt in der Lage ist zu gehen, kann nicht alleine auf den biomechanischen Vorgang des Gehens abgestellt werden. Eine zielgerichtete und orientierte Fortbewegung ohne Selbstgefährdung ist dem unter einer geistigen Behinderung leidenden Kläger nicht möglich, da er vorhandene Sicherungssysteme überwindet und sich der persönlichen Überwachung schnell entzieht, was sodann zu einer Eigengefährdung führt. Insoweit ist der Begriff der Mobilität im Nahbereich im Sinne einer Teilhabeermöglichung zu verstehen.
Das BSG betonte, dass ein Anspruch bereits dann besteht, wenn das System eine maßgebliche Hilfestellung bietet. Nicht erforderlich ist es, dass dem Anwender mit der Guard2Me Uhr eine eigenständige Erschließung des örtlichen Umfeldes ermöglicht wird.
Das BSG machte erneut deutlich, dass die Vorschriften des Bundesteilhabegesetzes und der UN behinderten Rechtskonvention zur Anwendung kommen müssen. Das BSG wiederholte die Vorgaben aus der Entscheidung vom 7.5.2020, AZ.: B 3 KR 7/19 R.
Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich ist danach nicht von vornherein auf eine Minimalversorgung beschränkt. Vielmehr kommt ein Anspruch auf Versorgung bereits in Betracht, wenn das Hilfsmittel wesentlich dazu beitragen oder zumindest maßgebliche Erleichterung bringen würde, Versicherten auch nur den Nahbereich im Umfeld der Wohnung in zumutbarer Weise zu erschließen.
Beachtlich ist an der Entscheidung des BSG ist auch, dass eine Hilfsmittelversorgung auch bei Vorliegen einer rein geistigen Behinderung möglich ist.