Die Frage, ob Vertragsärzte bei der Rezepterstellung rechtlich als Amtsträger oder Beauftragte der Krankenkassen gelten können, ist für die Hilfsmittelbranche von erheblicher Bedeutung. Denn wenn diese Frage nunmehr vom BGH bejaht werden sollte, würden Verstöße gegen das Zuwendungsverbot nach § 128 SGB V zugleich die Straftatbestände der Bestechung, Vorteilsgewährung oder der Bestechung im geschäftlichen Verkehr erfüllen. Isoliert betrachtet stellt § 128 SGB V keinen Straftatbestand dar, sondern kann lediglich zu Vertragsstrafe und Leistungsausschluss führen.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Frage dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt, der für die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen dann zuständig ist, wenn dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.
Für die Entscheidung erheblich ist danach vorrangig, ob ein niedergelassener Vertragsarzt bei der Behandlung gesetzlich Versicherter – hier: Verordnung von Hilfsmitteln – als Amtsträger anzusehen ist mit der Folge, dass die Beteiligten ein Amtsdelikt (Vorteilsannahme bzw. -gewährung, Bestechlichkeit bzw. Bestechung, §§ 331 ff. StGB) begehen können. Ist dies zu verneinen, hängt der Ausgang der Revision davon ab, ob der Vertragsarzt Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB ist. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu sind bisher nicht ergangen. Ihre Beantwortung hat über den vorliegenden Einzelfall hinaus erhebliche Auswirkungen auf die Strafverfolgungspraxis im weit verbreiteten Bereich des sog. Pharmamarketing sowie der Hilfsmittelbranche.
BGH 3 StR 458/10 – Beschluss vom 5. Mai 2011