Rollstühle & Krankenfahrzeuge

Rollator, Rollstuhl & Co. – welches Krankenfahrzeug steht gehbehinderten Menschen zu?

Die Auswahl des richtigen Krankenfahrzeuges zur Mobilisation von gehbehinderten Menschen ist nicht nur eine medizinisch, sondern oft auch eine rechtlich schwierig zu beurteilende Frage.

Gedanklicher Ausgangspunkt bei der Versorgungsentscheidung ist stets der Anspruch, dass die mangelnde Gehfähigkeit durch ein entsprechendes Hilfsmittel wieder hergestellt werden muss. Aus medizinischer Sicht soll das Hilfsmittel natürlich den individuellen Körpermaßen und der Behinderung in ihrer konkreten Ausprägung entsprechen. Dabei müssen Qualität und Ausstattung des jeweiligen Hilfsmittels so ausfallen, dass der Versicherte sich nach Möglichkeit schmerzfrei darin aufhalten und sich ohne die Hilfe Dritter fortbewegen kann.

Die Wiederherstellung des Gehvermögens wird durch die Sozialgerichte und die Verwaltungspraxis der Krankenkassen dahingehend eingeschränkt, dass nur eine Mobilität im sogenannten „örtlichen Nahbereich“ hergestellt werden muss. Krankenfahrzeuge haben im Rahmen der Kassenversorgung nicht die Aufgabe, behinderten Menschen die Mobilität eines Fahrradfahrers oder eines Autofahrers zu ermöglichen. Diese erweiterte Mobilität fällt in die Eigenverantwortung des behinderten Menschen oder kann in Ausnahmefällen durch die Sozialhilfe übernommen werden.

Umgekehrt bedeutet dies, dass gehbehinderte Menschen einen Anspruch haben, dasjenige Hilfsmittel zu bekommen, welches es ihnen ermöglicht, sich nach Möglichkeit selbständig im Innenbereich sowie im örtlichen Nahbereich bewegen zu können. Als örtlicher Nahbereich gelten Entfernungen, die ein gesunder Mensch zu Fuß bei einem Spaziergang an der frischen Luft zurücklegt und Alltagsgeschäfte wie Besorgungen oder Arztbesuche erledigt.

Bei leichteren Gehbehinderungen oder Beeinträchtigungen bedeutet dies, dass Versicherte einen Anspruch auf die Versorgung mit einem Rollator haben, wenn damit das Gehvermögen im Innenbereich und im Nahbereich wieder hergestellt werden kann.

Die Versorgung mit einem Elektromobil oder einem Scooter kommt dann in Betracht, wenn der Versicherte im Innenbereich zwar noch laufen kann, aber Schwierigkeiten mit der Überwindung kleinerer und mittlerer Strecken im Außenbereich hat.

Bei einem weitgehenden oder vollständigen Totalverlust der Gehfähigkeit ist die Versorgung mit einem Rollstuhl oder einem Elektrorollstuhl indiziert.

Da Rollstühle in den unterschiedlichsten Versorgungsvarianten existieren, kommt es über die Frage der ausreichenden Ausstattung häufig zum Streit. Behinderte Versicherte sollten darauf bestehen, dass ihr Rollstuhl ihrem individuellen Handicap entspricht. Auf den individuell passenden Rollstuhl besteht ein eindeutiger rechtlich durchsetzbarer Anspruch.

Rechtlich schwierig wird es bei sogenannten Zuggeräten und ähnlichen technischen Hilfsmitteln, welche an einen vorhandenen Rollstuhl angekoppelt werden können. Wenn diese lediglich dazu dienen sollen, dem Behinderten eine Art „Behindertendreirad“ zur Verfügung zu stellen, fällt dies nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte nicht in den Leistungsbereich der Krankenversicherung. Behindertendreiräder werden nur jugendlichen Versicherten bis zur Beendigung des 16. Lebensjahres zugebilligt. Anders verhält es sich hingegen dann, wenn ein Zuggerät eine klare medizinisch-therapeutische Zielrichtung hat und im Rahmen der Krankenbehandlung eingesetzt werden soll. Dies kann dann der Fall sein, wenn der spezifische Einsatz des Zuggerätes, z. B. durch Benutzung der Handkurbel, Krankengymnastik ersetzt und Teil des ärztlichen Therapieplanes ist.

Tipp: Da Krankenkassen nicht nur Sparzwängen unterliegen, sondern in vielen Fällen die persönliche Situation eines Behinderten nicht kennen oder nicht verstehen, ist es auf jeden Fall ratsam, bei einer Versorgungsablehnung Widerspruch einzulegen und die konkrete Situation ausführlich zu erläutern. Denn die Sachbearbeiter der Krankenkassen und auch des Medizinischen Dienstes überprüfen Sachverhalte bei der ersten Einschätzung oft nur flüchtig.