Mit Wirkung zum 01. April 2012 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Hilfsmittelrichtlinien neu gefasst. Im Wesentlichen wurden gesetzliche Änderungen und Wertungen der Sozialgerichtsbarkeit eingearbeitet. Hier ein kurzer Überblick über die neuen Regelungen:
Zielrichtungen der Hilfsmittelversorgung
Bekanntermaßen können Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden, wenn sie erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Dieser Katalog wurde um präventive Zielsetzungen erweitert. Hilfsmittel können ebenfalls verordnet werden, sofern sie erforderlich sind, um
a) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
b) einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
c) Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden,
d) Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
Diese „neuen“ Zielsetzungen sind seit geraumer Zeit in § 23 Abs. 1 SGB V niedergelegt. Die Erweiterung des Kataloges in § 3 der Hilfsmittelrichtlinien dient daher lediglich der Klarstellung.
Ebenfalls neu ist der klarstellende Hinweis auf die die in § 26 Abs. 1 SGB IX genannten Rehabilitationsziele, welche bei der Hilfsmittelversorgung zu beachten sind. Hiernach ist es im Rahmen der Hilfsmittelversorgung beachtlich, wenn diese geeignet ist,
a) Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten
b) Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie
c) den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern.
Erweiterung der GKV Anfangszuständigkeit
Weiterhin wurde die formelle Zuständigkeit der Krankenversicherung in Abgrenzung zu anderen Sozialversicherungsträgern geöffnet. Nach den Hilfsmittelrichtlinien in der Fassung aus dem Jahr 2008 konnten Hilfsmittel nicht zu Lasten der GKV verordnet werden, wenn es sich um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, um Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, um Leistungen der Pflegeversicherung sowie um Leistungen, die im Rahmen der stationären Pflege durch den Träger der Pflegeeinrichtung vorzuhalten sind, handelte.
Dieser Ausschlusskatalog ist auf zwei Anwendungsbereiche reduziert worden. Die Krankenkasse ist nun lediglich für solche Leistungen unzuständig, die der gesetzlichen Unfallversicherung obliegen oder nach dem Bundesversorgungsgesetz entstehen.
Hintergrund dieser Zuständigkeitsöffnung der Krankenkassen dürfte die Erkenntnis sein, dass sich die Lebensbereiche Arbeitsleben, Leben in der Gemeinschaft, Verrentung und Pflege von dem Begriff der Krankheit oder dem Begriff der Behinderung nicht isoliert betrachten lassen. Z. B. betreffen Hilfsmittel, welche am Arbeitsplatz erforderlich sind, regelmäßig auch die Versorgung im privaten Bereich. In der Zukunft wird es die GKV schwieriger haben, sich zu Lasten eines anderen Rehabilitationsträgers für unzuständig zu erklären. Die Ausgangszuständigkeit der Krankenkasse wurde auf diesem Wege verstärkt.
Hilfsmittelverzeichnis keine Ausschlussliste
Seit langem wiederholen die Sozialgerichte, dass das gesetzliche Hilfsmittelverzeichnis nicht abschließend ist. Ein entsprechender Hinweis findet sich nunmehr auch in den Hilfsmittelrichtlinien. Das vielzitierte Argument der Krankenkassen, dass das Hilfsmittelverzeichnis für diese jedoch verbindlich sei, dürfte sich nunmehr erledigt haben.
Wahlrecht der Versicherten
Auch die bereits gesetzlich verbrieften Wahlrechte der Versicherten in § 33 Abs. 1 S.5 SGB V und § 9 SGB IX finden sich in den neuen Hilfsmittelrichtlinien wieder. Versicherte haben bei mehreren gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln die Wahl. Wünschen der Versicherten soll entsprochen werden, soweit diese angemessen sind. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen.
Anpassung bei Hörhilfen
Im Bereich der Hörhilfen ist die Richtlinie an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik und an die Versorgungspraxis angepasst worden.