Wir erinnern uns: Erst 2010 hatte das BSG entschieden, dass Krankenversicherungen die Versorgung mit einer Treppensteighilfe, welche aufgrund einer individuellen Wohnsituation benötigt werde, nicht übernehmen müssen (BSG, 07.10.2010 – B 3 KR 13/09 R). Und eine individuelle Wohnsituation sei insoweit alles, was von einem behindertengerechten Idealzustand der Wohnung und – wohl auch – vollständig barrierefreien Wohnumfeld abweiche, so das BSG in der Medieninformation vom 16. Juli 2014 zur aktuellen Entscheidung (B 3 KR 1/14 R).
Dies hat weit reichende Folgen – jede für Rollstuhlfahrer unüberwindliche Treppe, jeder zu enge Fahrstuhl, jedes etwas zu steile Straßengefälle im Wohnumfeld ist für die Beurteilung des Leistungsanspruches der behinderten Versicherten unbeachtlich – geleistet werden muss von der Kasse nur, was überall benötigt werde.
Noch in der Berufungsinstanz hatte das LSG NRW (Urteil vom 17.09.2013 – L 1 KR 491/13) einen Weg aus diesem – vom BSG selbst geschaffenen – dogmatischen Dilemma aufgezeigt: Das Wohnen in einer eingeschossigen Mietwohnung im ersten Stock mit Zugang über ein Treppenhaus entspreche dem allgemeinen Wohnstandard – und damit liege eben keine anspruchsbeschränkende individuelle Wohnsituation vor. Daher seien hiermit verbundene zusätzliche Versorgungskosten wie für ein Scalamobil trotzdem von der Krankenkasse zu tragen.
Bedauerlicherweise hat das BSG diese vom LSG NRW angebotene Differenzierung nicht aufgegriffen, sondern die eigene Rechtsprechung noch verschärft. Während nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung noch Deutungsspielräume bestanden, was nun eine individuelle Wohnsituation ausmache, stellte das BSG jetzt klar, dass aus dem Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse alle Versorgungen fallen, welche nicht praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt würden.
Reine Ergebniskorrektur ist, dass in dem entschiedenen Fall nun die beigeladene Pflegeversicherung als leistungspflichtig verurteilt wurde. Dies wird zahllosen Rollstuhlfahrern ohne Pflegestufe nichts nützen. Ein Pyrrhussieg.